Erstellt am / von Heiko Schmidt / in VEREINSLEBEN

Corona: Segelflieger im Homeoffice

Den ganzen Winter haben sie in der Vereinswerkstatt gestanden, alles vorschriftsmäßig überprüft, die Segelflugzeuge wieder auf Hochglanz poliert. Alles stand bereit für den sehnsüchtig erwarteten Saisonstart.
Und dann kam Corona: Kontaktverbot, Schließung aller Sportstätten, einschließlich Flugplatz, allgemeiner Stillstand, nichts geht, nichts fliegt mehr! Verweist liegt der Segelflugplatz in der Frühlingssonne, die Piloten sitzen allein zu Hause.
Wir haben uns erkundigt, wie Segelflieger mit ihrem „Homeoffice“ zurecht kommen:

Werkstattleiter Hermann Landgraf:

„ Leben ganz ohne Flugplatz, ohne Werkstattarbeit – das ist ungewohnt für mich. Gut, notfalls gibt es noch ausreichend administrativen Kram wie Wartungsberichte, Lebenslaufakten etc. zu erledigen. Das geht auch alleine.
Gott sei dank gibt es in meiner privaten Werkstatt immer was zu tun, nicht unbedingt Lebenswichtiges, aber es macht gute Laune. Ich vermisse jedoch ein Bisschen die Leute, die Vereinskollegen, die interessanten Gespräche, ja auch ein Bisschen das Fliegen – und den Kaffee und Kuchen aus der Kantine.“

Foto: Werkstattleiter Hermann Landgraf

Wettbewerbspilot Uwe Wahlig:

„Fast alle Wettbewerbe sind für dieses Jahr abgesagt. Training und Vorbereitungen entfallen damit. Und da ich im Moment nicht auf den Segelflugplatz fahren darf, nutze ich die Zeit für andere Dinge, die in der Segelfliegersaison oft zu kurz kommen. So habe ich mich an den nunmehr freien Wochenenden in meinem Garten betätigt und dabei festgestellt, Baggerfahren macht richtig Spaß! Und zum Pflanzen ist ja noch genügend Zeit…“

Foto: Gartenarbeit – Baggerfahren statt Segelfliegen

Segelflugreferent Felix Maier:

„Ich habe mir im Winter eine gebrauchte ASW 20 als „Projekt“ gekauft. „Projekt“ heißt, dass da einiges zu machen ist: Wartungsarbeit, Ausbesserungen, aber auch persönliche Anpassungen, man will sich in seinem Flieger ja wohlfühlen.
Glücklicherweise habe ich temporär eine große Garage zu Verfügung. Damit bin ich mit vielen Arbeiten nicht auf die aktuell geschlossene Vereinswerkstatt angewiesen. Dank Corona kann ich mir jetzt ohne Zeitdruck ganz entspannt meinen Flieger herrichten. Entspannt zumindest solange, wie das Garagentor und damit der Blick zum Himmel verschlossen bleibt…“

Foto: Die „Ersatzwerkstatt“ in heimischer Garage

Ehefrau eines Piloten:

„Es ist total ungewohnt, dass mein Mann jedes Wochenende zu Hause ist. Besonders bei gutem Segelflugwetter läuft er wie ein Tiger im Käfig herum, sucht verzweifelt irgend eine Beschäftigung, um sich abzulenken. Aber einen Vorteil hat die Situation: Wir können wir jetzt endlich auch bei schönem Wetter gemütlich frühstücken, sonntags sogar mal mit einem Gläschen Sekt.“

Vereinsbuchhalter Oliver Pawel:

„Rechnungen und Belege gibt es immer, auch wenn nicht geflogen wird. Aber endlich kann ich am Wochenende ganz in Ruhe die Vereinsbuchhaltung erledigen, ohne durch Hammerwetter und Fliegen-Müssen abgelenkt zu werden. Jedenfalls solange der Rollladen unten ist. Ich frage mich allerdings, warum ich mir ausgerechnet dieses Jahr den kompletten ICAO-Satz für Deutschland habe gönnen müssen…“

Foto: Buchhaltung

Fluglehrer Axel Allgaier:

„Ich muss mich immer zwischen meinen beiden Hobbies entscheiden: Segelfliegen oder Motorradfahren. Beides ist bei gutem Wetter am schönsten. Ringe ich mich zum Motorradfahren durch, stehen garantiert wider Erwarten die schönsten Cumulanten am Himmel. Wähle ich dagegen das Segelfliegen, schiebt sich aus heiterem Himmel eine fette Abschirmung rein und in der Luft ist tote Hose. Oder ich habe Fluglehrer und schrubbe Platzrunden mit meinen Flugschülern.
Jetzt kann ich mich unbeschwert auf das Motorradfahren konzentrieren und die recht leeren Straßen genießen. Nur nach oben, zu den Wolken, schauen, dass verkneife ich mir.“

Foto: Fluglehrer Axel Allgaier

Flugschülerin Franziska Pawel:

„Ich habe im Februar meine Theorieprüfung bestanden und freute mich eigentlich, dieses Jahr die praktische Prüfung ablegen zu können. Das wird wohl eher nix. Außerdem wurde die Ende März angesetzte BZF-Prüfung abgesagt. Verständlich, aber auch doof.
Gegen die Langeweile habe ich mir ein Stoffpaket abgeholt. Jetzt nähe ich Mund-Nasen-Masken für Pflegeheime etc. Dann muss ich wenigstens nicht rausschauen und dieses tolle Wetter sehen.“