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Eine begehrte Tante und viele Klassiker

© Bergsträßer Anzeiger: Thomas Tritsch

Gemächlich schwebt die JU 52 knapp über dem Segelflugplatz bei Schwanheim. Die Bensheimer Segelflieger hatten am Wochenende (19. – 20. Juli) zu ihren beliebten Flugtagen eingeladen.

Blauer Himmel, keine Wolkenbildung. Aufwindschläuche sind schwieriger zu orten als bei einer leichten Wolkenbildung. Aber die Bensheimer Segelflieger finden in der Regel, was sie suchen, und so herrschte auch am Samstag ordentlich Betrieb auf dem Gelände nahe Schwanheim. Trotz 35 Grad Hitze und hasenfüßigen Lüftchen starteten zahlreiche Piloten in den knallblauen Juli-Himmel.
Darunter auch eine alte Bekannte: „Tante JU“, wie die JU 52 liebevoll genannt wird, ist ein häufig und gern gesehener Gast bei der Segelfluggruppe, die ihre fliegerische Live-Show am Wochenende einmal mehr bestens organisiert hatte. Uwe Schmuck landete den silbernen Vogel langsam und sicher auf dem Bergsträßer Grün. Der Sound der drei großen, original BMW-Sternmotoren und die etwas behäbige, aber elegante und noble Art des Fliegers faszinieren die Zuschauer immer noch.

Noch acht flugfähige Modelle
Der Begriff „unverwüstlich“ macht die Runde. Es existieren noch acht flugfähige Varianten, vier davon sind bei der JU-Air im schweizerischen Dübendorf stationiert. Der Klassiker wurde in Bensheim heiß ersehnt. Am Ticketschalter standen die Passagiere bereit, um einen 45-minütigen Rundflug über Bergstraße und Odenwald zu genießen. Fliegerisches Slow-Food der Extraklasse, die Reisegeschwindigkeit beträgt nur knapp 180 Stundenkilometer. Beim Landeanflug drosselt der Pilot den Vogel auf gut 100 km/h. Das Aufsetzen passiert in Zeitlupe, ebenso der Start des berühmtesten Mitglieds der Familie Junkers, das sich mit dreimal 660 PS dröhnend in den Himmel hievt. Beobachtet von einer Dornier DO 27, die ebenfalls für ihre kurzen Starts und Landungen bekannt ist.

Ein einmotoriger Allrounder
Ein einmotoriger Allrounder, der auch als Startrampe für Fallschirmspringer genutzt wird und sich im heißen Bensheim an seinen Parknachbarn kuschelte, eine Boeing Stearman PT 17 – der bekannteste und meist gebaute Doppeldecker, der am Wochenende fast schon zur Bensheimer Skyline dazugehörte.
Der Flieger von 1942 kann auch langsam (160 Stundenkilometer), weshalb er in der Landwirtschaft auch als Sprühflugzeug eingesetzt wurde. Unter dem Motto „Gestern und Heute“ hatte der Verein historische und moderne Segelflugzeuge besonders in Szene gesetzt. Die Ka 8 besteht aus einer stoffbespannten Stahlrohrkonstruktion mit Tragflächen aus Flugzeugsperrholz.
In den 60er Jahren wurde dann zunehmend leichter und stabiler Kunststoff als Material eingesetzt, wie Vereinsmitglied Thomas Roth erläutert. „Warme Luft aus Spanien“, so sein knapper Kommentar beim Blick in den Himmel. „Leider keine weißen Wolken.“ Kumulus sind ideale Thermikbotschafter. Sie zeigen die aufsteigende Warmluft.
Der Aufwind ist der Treibstoff für die Segelflieger. Ohne Wolken fliegt man, so sagen manche, ein wenig „blind“ durch die Gegend. Blauer Himmel ist also, das merken wir uns, kein Segen für die Segler. Aber es gibt Schlimmeres.

Was machen die Gewitter?
„Morgen früh stellen wir uns die Frage aller Fragen“, so Thomas Roth über die Wettervorhersage für Sonntag. Wie schnell kommt die Wolkenfront vom Satellitenbild an die Bergstraße? Prallt sie an den Hügeln des Odenwalds ab? Bei Gewitter und Regen hätte der Verein sein Programm einschränken müssen.
Am Samstag wurde noch kollektiv geschwitzt. Von einem Plätzchen im Schatten beobachtete man die Kunstflieger bei ihren elegant-sportlichen Luftfiguren. Kühne Gäste konnten mitfliegen. Gesetztere Gemüter wählten das Segelflugzeug oder einen Oldtimer wie die Tiger Moth oder eine Stieglitz, die auch zu Rundfügen gestartet sind.
Hin und wieder beteiligten sich ein paar Bergsträßer Greifvögel am Flugtag – allerdings auf sicherer Distanz zu den großen Verwandten, die am Wochenende über den Bensheimer Himmel geherrscht haben. „Ein toller Flugmotorensound“, freute sich Moderator Ingo Hartmann auf der Aussichtsterrasse des Vereinsheims. Knapp 100 aktive Mitglieder hat die Gruppe, darunter 20 Damen und eine 23 Kopf starke Jugendgruppe (bis 24 Jahre), zu der auch Ingo Hartmann gehört.

Geflogen wird bis Oktober
Geflogen wird in Bensheim zwischen März und Oktober an jedem Wochenende. Der Flugtag ist ein Höhepunkt im Vereinsjahr mit zahlreichen Gastflügen, Vorführungen und – je nach Einsatz- und Wetterlage – Ballonstarts und einer Stippvisite des Polizeihubschraubers.
Auch für die Kleinen war gesorgt, sie konnten Freiflüge gewinnen, auf der Hüpfburg selbst abheben und im Cockpit eines Segelflugzeugs Platz nehmen. Die Vorsitzende Marlies Schader freute sich über eine rege Nachfrage bei den Rundflügen – nicht nur mit der JU 52. Aus dem Verein waren an beiden Tagen gut 90 Helfer im Einsatz, um für ein holperloses Programm auf und neben der Startbahn zu sorgen.
Ein etwas schräger Vogel war die Beechcraft Bonanza, die mit ihrem ungewöhnlichen V-Leitwerk für Aufsehen sorgte. Vereinsmitglied Hans Rau hatte den Flieger letztes Jahr für den Besitzer aus Südafrika nach Deutschland geflogen. Nach 37 Stunden ist er gelandet.

Grün im Gesicht
Das Modell, das heute in Bad Sobernheim parkt, ist größtenteils im Originalzustand. Das V am Heck sorgte vor allem in den 50er Jahren für ausgezeichnete Verkaufszahlen. Allerdings belastete das auf zwei Steuerflächen verkleinerte Leitwerk die hintere Rumpfstruktur so stark, das bei hohen Geschwindigkeiten mit einem Leitwerkflattern zu rechnen ist, wie Hans Rau erklärt: „Im Heck sitzende Passagiere sind da schon mal mit grünem Gesicht ausgestiegen.“
Keine grünen, eher rötliche Gesichter beim Flugtag 2014. „Viel trinken“, gab Ingo Hartmann am Samstag als Losung aus. Das galt für Piloten wie Zuschauer. Am Sonntag war es dann vorbei mit der Wolkenlosigkeit. Aber nicht mit dem Spaß, den Seglern und Doppeldeckern beim Fliegen zuzuschauen.
Nicht zu vergessen diese eine olle Tante, die zwei Tage stoisch ihre Runden zog.

© Bergsträßer Anzeiger: Thomas Tritsch