Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB, WETTBEWERB

Streckenflugplanung: neue Saison – neue Ziele?

Durch Corona sind die Winterarbeiten und das Personal in der Werkstatt auf das zwingend Notwendige reduziert. Dementsprechend bleibt mehr Zeit für die persönliche Vorbereitung im stillen Kämmerlein:
Jetzt ist die Gelegenheit, die umfangreichen Bedienungsanleitungen der modernen Geräte in aller Ruhe zu studieren: Wie programmiere ich einen Flug in den Navigationsrechner und was kann das Ding überhaupt alles?

Wichtig für den sportlich ambitionierten Piloten: ein genauer Blick in die aktuellen Wettbewerbsregeln: Was gibt es alles zu beachten und wie bekommt man die meisten Punkte für welchen Wettbewerb?
Und schließlich die eigentliche Flugplanung: Wie groß soll die Flugstrecke sein? Wo geht’s hin?

Foto: Auf Strecke

Der eine träumt von den ganz großen Strecken, steckt seine 1000 km mit allen Variationen und Verlängerungsoptionen ab. Der andere studiert für die ersten 100 oder 300 km die bekannten „Rallyrouten“ Rheintal oder Schwäbische Alb.
Aber nicht für jeden zählen die geflogenen Kilometer. Man kann auch unter anderen Aspekten einen Streckenflug planen, um beispielsweise bekannte Landschaften aus der Vogelperspektive zu erkunden:

So sieht der Wanderfreund, aus der Rheinebene kommend, den Pfälzer Wald als eher unspektakuläre grüne Hügel. Doch vom Segelflugzeug aus betrachtet breitet sich hinter den ersten Buckeln ein breites, respekteinflößendes, dunkelgrünes Band aus. Einen „Absaufer“ über diese, je nach Flughöhe, scheinbar unendlichen Wipfeln will niemand riskieren.

Foto: Flug über den Pfälzer Wald – mit ausreichender Höhe (Foto: U. Wahlig)

Der önologisch interessierte Pilot könnte die Flugroute an den Lagen seiner Lieblingsweine orientieren. Gut, der bekannte Weinlagenwanderweg der hessischen Bergstraße ist mit seinen 21 Kilometern zwar ein sportlicher (und oft beschwingter) Fußmarsch, mit einem Segelflugzeug jedoch höchstens mit einer SG38 eine echte Herausforderung. Foto: Weinlagenwanderweg zu Fuß

Foto: Weinlagenwanderweg zu Fuß

Fliegt man aber über das Rheintal und dann die Deutsche Weinstraße entlang, wird die Spritztour schon ein wenig anspruchsvoller. Profis kombinieren auf ihrem vinologischen Ausflug einzelne Anbaugebiete wie Baden, Pfalz, Mosel und/oder Franken, je nach Gusto und Wetter. Von einer Verkostung vor Ort raten wir jedoch ab: Ein Weinberg, und sei er noch so flach, ist ein denkbar ungünstiges Landefeld für Segelflugzeuge…

Foto: Die bekannte Weinlage„Randersacker Teufelskeller“, im Hintergrund Würzburg

Eine in bayrischen Gefilden beliebte Variante sind die Entdeckungsflüge zu kleinen, ortstypischen Bierbrauereien. Über das ganze (bayrische) Land verteilt ergeben sich vielfältige Streckenvarianten, intensive Recherchen im Vorfeld vorausgesetzt. Vorteil: Hier finden sich nicht nur geeignete Außenlandemöglichkeiten, obendrein ist es bei einer solchen Routenplanung selten ein Problem, willige Rückholer zu finden.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, seinen Flug nach archäologischen Gesichtspunkten zu planen und etwa ab dem „ersten römischen Feldflugplatz“ (Vielbrunn) dem Verlauf des Limes über Walldürn und Öhringen gen Süden zu folgen: Aber Vorsicht, ab Murrhardt streift man den Stuttgarter Luftraum. Die meisten Segelflugpiloten werden sich daher auf die Seite der alten Germanen schlagen und den genauen Grenzverlauf über Welzheim, Lorsch und Schwäbisch Gemünd ignorieren. Ab Heubach bzw. Aalen geht es ostwärts weiter Richtung Ellwangen, Gunzenhausen bis nach Regensburg, so man denn will – und kann.

Foto: Auf den Spuren der alten Römer: Die südliche Limestour

Wer sich mehr der frühen Neuzeit widmen möchte, entdeckt ausreichend Objekte in der näheren Umgebung: Da wären in Flugschüler-Reichweite das berühmte Lorscher Kloster, dessen frühmittelalterliche Anlage aus der Luft fast noch besser erkennbar ist als vom Boden aus.

Foto: Weltkulturerbe Kloster Lorsch

Im erweiterten „Lokalflugbereich“ warten mit dem Wormser und Speyerer Dom gleich zwei renommierte, im Wortsinne großartige romanische Monumente auf eine luftige Besichtigung.
Freunde der Gartenkunst genießen es, beispielsweise über dem Schwetzinger Schloss einen Bart auszukurbeln: So können sie im französischen Part die barocke Ästhetik mit ihren Symmetrien und Ornamenten bewundern und den Gegensatz zur scheinbar ungezwungenen englischen Landschaftsgestaltung ausführlich studiere.

Foto: Barocke und englische Landschaftsgestaltung im Schwetzinger Schloss

Und dann gäbe es da noch Burgen-Bingo, die große Ring-Rennen-Runde (Hockenheim-, Nürburg- und Sachsenring), die Technik-Tour (Mannheim, Sinsheim, Speyer) und viele andere Ideen, was man alles auf einem Segelflug sehen kann. Nicht zu vergessen der Segelwanderflug über mehrere Tage und alle Grenzen hinweg. Er ist zwar etwas aufwendiger in Planung und Organisation, garantiert indes echtes Abenteuerfeeling.

Doch egal, ob Leistungsport oder gemütliche Sightseeingtour, das Wichtigste ist die Freude am Fliegen. Die kann man nicht in Kilometern oder Punkten ermessen, aber sehr wohl durch zeitige, kluge Vorbereitung steigern, gerne bei einem Glas Lieblingswein.