Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB

Aufstieg in die 2. Bundesliga: spannendes Finale:

„Es gibt mehrere Segelflug-Online-Wettbewerbe mit verschiedenen Schwerpunkten. Die meisten Bensheimer Streckenflugpiloten haben dieses Jahr ihren Fokus eigentlich auf große Strecken, weniger auf die geschwindigkeitsorientierte Quali-Liga gelegt und ihre Flüge entsprechend anders optimiert “, so Segelflugreferent Felix Maier im Vorfeld.

Trotzdem bewegten sich die Bensheimer seit der fünften Runde innerhalb der Aufstiegszone (Platz 1-7). Nur in Runde 9 und 10 rutschen sie kurzfristig raus auf Platz 9. In Runde 11 schob sich Bensheim wieder auf Platz 7. In Runde 12 gab es einen Punktegleichstand mit dem LSV Degerfeld. Nur dank der Speedpunkte blieb Bensheim auf dem begehrten Aufstiegsplatz. Statt der üblichen 19 Liga-Runden gab es dieses Jahr dank Corona nur 13 Runden. Die Finalrunde musste also die Entscheidung bringen.

Ernüchterung

Die Voraussetzungen waren jedoch zunächst etwas entmutigend: Einige der ambitionierten Bensheimer Streckenflieger fehlten wegen Teilnahme an der Vor-WM in Frankreich, Familienurlaub, hatten Geburtstagsverpflichtungen oder andere wichtige Termine. Bei der Schleppmaschine drohte die 50-Stundenkontrolle, zwei Vereinsmaschinen waren aufgrund abgelaufener Kupplungen schon gegroundet und an der Startwinde musste auch noch was repariert werden…

Hoffnung

Aber mit den Wetterprognosen für das Wochenende regte sich Hoffnung: Kaum Thermik, wenn zerrissen durch den Wind, genauer: Wind aus westlichen Richtungen. Das bedeutete, der Bensheimer Jocker, der Hangwind an der Bergstraße, könnte den Aufstieg sichern. Die Degerfelder dürften mit schlechtere Voraussetzungen zu kämpfen haben.
Entsprechend motiviert startete am Samstag ein heterogenes Team aus jungen und erfahrenen Piloten und Pilotinnen. Irgendwie kitzelte es doch und so riss die Begeisterung selbst „Liga-Nihilisten“ mit.

Foto: Startvorbereitungen

Im Rennfieber

Das Wetter gestaltete sich anspruchsvoll: Bei den Flügen überwog der (zerrissene) Thermikanteil, der teils kräftige Wind hatte phasenweise noch eine störenden Südkomponente, zu spitz für reinen Hangflug. Eine Fehlentscheidung und schnell konnte man sich wieder am Boden der Tatsachen finden, in diesem Fall im Landeanflug an einem Nachbarflugplatz. Nur ein Team holte die Punkte am Hang. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten lagen „ lediglich“ um die 80 km/h. Trotzdem kamen die gewünschten drei Wertungsflüge zusammen. Aufatmen. Bei den Mitbewerbern herrschte Funktstille, keine Flugmeldungen im Onlinportal.

Foto: Start frei

Für Sonntag war eine leichte Wetteränderung vorhergesagt: kühlere Luft, Schauer möglich, der Wind sollte deutlicher auf West drehen. Mit dem Schwung des Vortages startet wieder ein buntgemischtes Geschwader. Wieder war es ein Mix aus Hangwind und (ruppiger) Thermik, wobei das Rennen dieses Mal hauptsächlich an der Bergstraße stattfand: mal den Hangwind selbst nutzend, mal die durch den Hang ausgelöste Thermik mitnehmend.
Die jüngste Pilotin, 16 Jahre, startet mit dem ältesten Flugzeug, einer 60 Jahre alten Ka8. Trotz der respektablen knapp 170 km Strecke reichte es nicht für einen der drei Wertungsflüge in der Quali-Liga. Das tat dem breitem Grinsen auf ihrem Gesicht nach der Landung keinen Abbruch: „Aber es reicht für die U25-Wertung und vor allem: Es war ein geiler Flug!“

Alle waren sich am Abend einig: Es war ein anspruchsvoller, herausfordernder, aber toller Flugtag mit fantastischen Wolkenstimmungen und klarer Fernsicht. Intensiv tauschte man sich auf der Terrasse im über die Flugerlebnisse aus. Da war sie wieder, die Faszination Segelfliegen!

Foto: Im Hangwind über Bensheim

Schnell wurden die Flüge im Internet hochgeladen. Mit Spannung verfolgte man die Auswertungen des Online-Contest. Was melden die Konkurrenten?

Ergebnisse

Am Montag Morgen nach Meldeschluss stand fest: Die Bensheimer Segelflieger haben den Tagessieg in der bundesweiten Quali-Liga erfolgen und konnten ihren Aufstiegsplatz verteidigen.

Der Gesamtverein hat nicht nur den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft, sondern ist gleichzeitig Hessischer Meister in der Landesklasse (von insgesamt 42 teilnehmenden Vereinen). Die Bensheimer Jungpiloten und -Pilotinnen sind Hessischer Vizemeister in der Landeswertung U25!

Der Teamgeist führte zum Sieg, am Erfolg waren viele beteiligt: gut 25 Streckenflugpiloten und -Pilotinnen, aber auch Rückholer, Schlepppiloten, Windenfahrer, Flugleiter und selbst die jungen Flugschüler haben als Helfer beim Aufrüsten, Starten oder als Bodenpersonal ihren Anteil zum Gelingen beigetragen.

Die 2. Bundesliga hat schärfere Regeln und härtere Konkurrenten. Dort zu bestehen, ist eine Herausforderung. Als Motivation hat ein nobler Spender schon jetzt für den Fall des Klassenerhaltes ein 30 l Fäßchen für eine eventuelle Feier im Spätsommer 2021 zugesichert.

Wir dürfen gespannt sein.

Galerie:

Funksprüche:

  • „Viel geflogen, viel gelandet, nix für die Liga. Aber schön war’s trotzdem!“
  • „Ein anstrengendes Wetterchen. Aber das übt! Schönwetterfliegen kann ja jeder…“
  • „Als ich ausklinkte, dachte ich erst, das Vario sei bei 5 m/sec hängengeblieben. Es blieb trotz Klopfen hängen. Dafür wanderte mein Höhenmesser nach oben. Ich kurvte dann mal ein und siehe da, nach exakt 6 min war ich in 1300 m über dem Auerbacher Schloss angekommen.“
  • „Da heize ich wie ein Verrückter den Hang entlang und dann unterschlägt mir dieses Wertungs-Computerteil einfach einen Teil meines Fluges und rechnet einen Schnitt von läppischen 65 km/h aus“ – „Er kennt halt die Regeln: z. B. max. drei Wendepunkte….“
  • „Er ist ein exzellenter Segel-flieger, aber kein ausgesprochen guter Segel-lander.“
  • „Viel Thermik, viel Hang, viel Spaß, besonders bei der Landung…“
  • Nach einer unfreiwilligen Bauchlandung ohne Fahrwerk: „Jetzt wäre eine Steinschlag-Schutzfolie hilfreich – gewesen…“
  • Pilot österreichischer Herkunft: „Ah, das war heute endlich wieder mein Wetter!“ – „Du magst also bockige Starts, zerrupfte Thermik am Hang und Landungen wie ein Ritt auf einer Kanonenkugel? Erinnert Dich das an die Alpenflüge in deiner alten Heimat?“ – „Nein, ich mag das kühlere Wetter einfach mehr als die Hitze der letzten Wochen.“
  • „Endlich habe ich es mal in die Liga-Wertungsflüge geschafft und bin nicht wieder kurz vor Meldeschluss von einem schnelleren Vereinskameraden auf den vierten Platz abgedrängt worden!“
  • „Oh, Freibier?“ – „Ja, theoretisches Freibier.“ – „???“ – „Na Freibier für die bestandene Theorieprüfung.“ „Ah, das schmeckt besonders gut.“