Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB

Ein wahlig lehrreiches Streckenflugseminar

Ein Streckenflugseminar im September, am Ende der Segelflugsaison? Macht dass Sinn? „Ja, natürlich“, lautet die Antwort des Seminarleiters, Uwe Wahlig. Wahlig, Fluglehrer und selbst erfahrener Streckenflugpilot erläuterte:“ Es geht hier um die ausführliche Vorbereitung eines Streckenfluges, also Wetter, Streckenauswahl und natürlich das richtige Programmieren des Navigationsrechners.

Heutzutage schon eine Wissenschaft für sich. Und es geht um die Überlegungen, wie man die Wendepunkte erreichen kann. Schließlich braucht man noch die richtige Motivation, den Mut, tatsächlich loszufliegen. Um das alles zu üben, gedanklich zu festigen, braucht man Zeit, aber nicht unbedingt Hammerwetter für große Strecken. Gerade diese unscheinbaren Wetterlagen trainieren viel besser.“ Gesagt, getan.

Briefing
Eine bunte Truppe aus Anfängern, Fortgeschrittenen und erfahrenen Piloten stand bereit.
Los ging es mit einer ausführlichen Wetteranalyse. Wo findet man welche Wetterkarten, wie liest man die verschiedenen Vorhersagen und was bedeuten sie letztendlich. „Untypisch für September haben wir es heute mit ziemlich warmer Warmluft zu tun. Also wird die Thermik erst relativ spät starten. Aber gut für uns, dann brauchen wir jetzt keine Hektik zu veranstalten.“ Weiter ging es mit der Streckenauswahl: Malch – Mülben – Malch und wieder zurück, 180 km. Die Streckenführung und Alternativen wurden genauso ausführlich diskutiert wie zu erwartende Schwierigkeiten („Kriechgau“) und Hotspots, Punkte, an denen mit großer Wahrscheinlichkeit Thermik zu erwarten ist. Lorscher Wald, Autobahnrastplatz, Hockenheim-Ring, Steinbruch wurden notiert, Abfluglinie und Wendepunkte programmiert. Als alle Fragen schließlich beantwortet waren, hatte jeder noch viel Zeit für die individuellen Vorbereitungen.

Start
Der Start verlief etwas zäh, denn die ersten Absaufer gab es direkt am Start. Erster Lernerfolg: Bei Warmluft ist die Thermik unten zerrupft unstet, wird aber mit zunehmender Höhe breiter und hat bessere Steigwerte. Daher nicht am falschen Ende sparen und zu früh ausklinken. Also zweiter Versuch – und der klappte dann auf Anhieb.

Flug
Navigatorisch stellte die Streckenführung für den kleinen Pulk keine große Herausforderung. Wohl aber von meteorologischen Seite aus: die schönsten Wolken, Basis 1900 m, standen östlich, im Odenwald, aber nicht unbedingt in Flugrichtung. „Streckenflug trainieren kann man nicht, in dem man dort hin fliegt, wo die schönsten Wolken stehen. Es soll ja üben!“, so Wahlig. Und es übte! Stefan Schneider, ebenfalls erfahrener Streckflugpilot, flog vor und sondierte die Lage. Malch, die erste Wende, erreichten fast alle Teilnehmer. Nur ein Kandidat verbastelte sich und landete vorzeitig in Weinheim. Lernerfolg: Landen auf fremden Plätzen ist kein Hexenwerk.

Ab Malch wurden die Bedingungen anspruchsvoller. Der direkte Weg nach Mülben war aufgrund der Bauthermik nicht sinnvoll, man wich in den südlichen Odenwald aus. Lernerfolg: Wenn das Wetter sich nicht an die Prognosen hält, muss man flexibel werden. Der Doppelsitzer fand heute einfach nicht die richtige Spur und zog es vor, auf direktem Wege wieder zurück nach Bensheim zu fliegen. Eine Außenlandung während des Winzerfestes wollte man nicht riskieren. Lernerfolg: Zielfixierung ist nicht immer zielführend. Man kann einen geplanten Streckenflug abbrechen und trotzdem einen schönen Flug haben.

Immer wieder flog der Trainer vor oder zurück zu seinen verbliebenen Schäfchen, um ihnen beispielsweise den rettenden Aufwind zu zeigen, gab kurze Hinweise. „ Dabei habe ich eine Menge lernen können, gerade beim Vorfliegen war ich manchmal noch unsicher“, so einer der Schäfchen später. Kurz vor Mülben entschloss sich auch der Restpulk, den ursprünglichen Plan fallen zu lassen und direkt nach Bensheim zurückzufliegen.

Stefan Schneider demonstrierte dagegen, wie eine kreative Lösung aussehen könnte: Er reichte Mülben, flog dann jedoch über den Odenwald nach Heidelberg, nördlich des eigentlichen Flugweges, um von dort wieder südlich nach Malch vorzustoßen und erst dann wieder heimzukehren. Lernerfolg: Manchmal führt ein Umweg zum Erfolg, hier zum Vollenden der Aufgabe und damit zum „Tagessieg“.

Fazit:
Alle waren rechtzeitig für den Schoppen auf dem Winzerfestes wieder zurück, jeder hatte wertvolle Erfahrungen sammeln können, im Nachgespräch ergaben sich manche neuen Erkenntnisse und Spaß gemacht hat es auch noch. Kurz gesagt: Ausbaufähig und zur Nachahmung empfohlen!

Wer jetzt Lust bekommen hat, kann nächstes Wochenende, 17/18.09. zwanglos mitmachen.
Und wen danach das richtige Streckenflugfieber erfasst hat, der sollte sich für das nächste Frühjahr rechtzeitig vorbereiten. Denn dann ist wieder das Streckenflugfrühstück geplant: Zunächst ein gemeinsames Briefing-Frühstück von 8-9:00 h, anschließend Start zu größeren, ambitionierten Aufgaben. „Bei richtig guten Wetter müssen wir natürlich vor dem Frühstücken aufbauen, damit wir rechtzeitig starten können…“, so Uwe Wahlig.

Bundesliga, OLC, Deutsche Meisterschaft – wir kommen!