Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB, VEREINSLEBEN

Fliegen mit Geiern

Als Segelflieger begegnet man beim Kurbeln in der Thermik häufig gefiederten Kameraden, von den Piloten liebevoll „Geier“ genannt: Bussarde, Milane, Mauersegler, Störche, um nur einige zu nennen.

Lukas Etz jedoch berichtete über ein außergewöhnliches Erlebnis: „Ich entdeckte sieben große Vögel, bedächtig kreisend, bin natürlich gleich hingeflogen. Als ich näher kam, war ich völlig überrascht: Das Flugbild dieser Piepmätze kannte ich gut. Ich hatte schon öfters das Vergnügen, allerdings im spanischen Gebirge bzw. in den Alpen, aber im Rheintal, bei Worms???“. Die anschließende Fotoanalyse beseitigt letzte Zweifel: Es war ein Pulk Gänsegeier.

Foto: Mit Gänsegeiern im Bart, Foto: Lukas Etz

Schon gewusst? Im Mittelalter waren Gänsegeier auch in Deutschland (Schwäbische Alb) verbreitet, hatten als reiner Aasfresser aber ein schlechtes Image und wurden entsprechend bis zur Ausrottung verfolgt. Sie überlebten im Süden. Heute leidet der Geier unter den EU-Verordnungen, welche die sofortige hygienische Entsorgung von Tierkadavern vorschreiben und ihm damit die Nahrungsgrundlage, auch in Spanien, entziehen. Daher wandern die Jungtiere im Sommer verstärkt gen Norden. Bei einer Spannweite von 2-3 m kommen sie auf eine Tagesleistung von bis zu 600 km.

Solche Flugstrecken wurden am vergangenen Wochenende in Bensheim nicht erreicht. Am Samstag Morgen herrschte noch Warmluft vor. Zu gegeben, eine labile Warmluft, in der auch Strecken geflogen werden konnten. Wer aber meinte, bis Nachmittag auf die angekündigte Kaltfront zu warten, hatte auf die falsche Karte gesetzt: Die schmale Kaltfront zeigte den Bensheimern die kalte Schulter: Bei 8/8 Bedeckung gab es keine nutzbare Thermik mehr. Der kalte Wind hatte zwar kräftig aufgefrischt, stand aber so spitz auf die Bergstraße, dass auch das Hangfliegen nicht wirklich befriedigend war, sondern im Gegenteil, zu „Absäufern“ (vorzeitige Landungen) führte. Sehnsüchtig gingen die Blicke Richtung Süden und Norden, wo sich, unerreichbar, noch länger Cumulanten zeigten…

Foto: Startvorbereitungen am Sonntag Morgen

Der Sonntag sah hoffungsvoller aus, das Zauberwort „Rückseite“ machte die Runde. Sehr früh bildeten sich die ersten Wölkchen in der der kühlen Morgenluft. Zügig gingen die Streckenflieger an den Start, war doch eine Abtrocknung (die Wolken lösen sich auf) und Blauthermik angekündigt. Tatsächlich war um die Mittagszeit der Himmel strahlend blau. Eigenartiger Weise stieg die Basis nicht wie üblich an, sondern verharrte eisern bei ca. 1000 m, keine guten Voraussetzungen für einen Streckenflug, die ursprünglichen Pläne wurden über Bord geworfen.

Immerhin, es kamen trotzdem drei Wertungsflüge für die 2. Bundesliga zustande. So landete Bensheim in dieser Runde im letzten Drittel des Feldes, büßte aber in der Tabelle nur zwei Plätze ein und befindet sich jetzt auf Rang 14.

Aber was bedeuten schon Bundesliga-Wertungen wenn man gemeinsam mit den wahren Streckenflugmeistern, den Gänsegeiern, fliegen darf…

Ältere Piloten erinnern sich vielleicht noch an einen anderen Geier: Anfang der 60er Jahre baute die Segelfluggruppe Bensheim nach Plänen von Wolfgang Allgaier das Segelflugzeug „Geier II“. Gut vier Jahren dauerte die Bauzeit, die Freude währte dagegen nur kurz: Sechs Wochen nach dem Erstflug gab es bei einer Außenlandung Bruch. Aufgrund seiner konstruktionsbedingten heiklen Flugeigenschaften sah man von einer Reparatur/Wiederaufbau ab.

Foto: Der Bensheimer Geier II 1963 im Fliegerlager in Bad Ragatz/Schweiz Foto: Mettler

Funksprüche:

  • Vorflugkontrolle Duo Discus: „Ich habe hinten am Leitwerk in das Pitorohr gepustet, aber Fahrtmesser zeigt nichts an.“ – „Vielleicht steckt eine Fliege darin. Dann musst du am Rohr saugen“ – „Igitt!“ – „Oder du nimmst einfach das richtige, angeschlossene Staudruckrohr, am anderen Ende vorne, an der Schnauze…“
  • Trockenes Gras wird hoch in die Luft gewirbelt: „Boa, was für eine Thermik, bestimmt ein 4-m-Bart.“ – „Und da, am zweiten Büschel knabbert sogar noch ein Hase…“
Foto: Ausräumen der Segelflugzeuge aus der Perspektive des Windsacks