Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB

Streckenflug-Abenteuer

Es ist „Hammer-Wetter“, sprich sehr gute Thermik, vorhergesagt. Da sind die Streckenflieger natürlich schon früh morgens gestartet. Kein Problem für den „Späterstarter“, der Samstag um12:30 h auf den Platz kommt, um mit der vereinseigenen Cabrio-Ka8 zu einem kleinen Nostalgieflug in die Luft zu gehen. Aber die Halle ist leer. „Die ist schon bei Schwäbisch-Hall“, ruft einer. Moment, der Ka8-Hänger steht doch noch in der Halle. Ist sie etwa geflogen? Wer macht denn so etwas?

Selbst ist der Pilot

Start ins Ka8-Cabrio-Streckenflugabenteuer

Drei Stunden später kommt die Erklärung durch den Piloten Andreas Weskamp: „Eigentlich wollte ich zwei jungen Scheininhabern anhand von TopTask (System für Wettervorhersage spezifisch für Segelflug) zum Fliegen motivieren. Ich zeigte ihnen, dass man bei diesem Wetter selbst mit unserer Ka8 laut Vorhersage tolle Strecken fliegen könnte. Als sich beide schnell mit ‚Habe keine Zeit heute‘ verabschiedeten, dachte ich mir, warum nicht selbst fliegen. Gesagt – getan. So richtig oldschool: ohne Navi und Handy, das lag nämlich noch zu Hause, dafür mit Cabrio, zwei T-Shirts und einem Kapuzenpullover gegen die Kälte, habe trotzdem gefroren. Egal, war ein toller 340 km-Flug.“ Mit einem Schnitt von 63 km/h, im Sprint sogar 70 km/h! Erstaunlich schnell für die alte Dame…

Nach dem 340 km-Ka8-Flug freut sich Pilot Andreas Weskamp, sich wieder richtig ausstrecken zu können.

Live dabei: Endanflug-Krimi

Die Streckenflieger erreichen an diesem Tag beeindruckenden Distanzen von bis zu 660 km mit Schnittgeschwindigkeiten im Sprint von bis zu 109 km/h, doch gegen 18:45 h: sind alle wieder Daheim. Alle? Nein, Pilotin Jana Schmidt fehlt. Sie kämpft noch tapfer im Pfälzer Bergland Höhe Kaiserslautern auf dem Weg nach Hause.

Foto3:

Mit Spannung erwarten die Fliegerkameraden die Ankunft der letzten Streckenflugpilotin

Nachdem die Flugzeuge wieder verpackt sind, versammeln sich die Vereinskameraden im Clubraum und verfolgen fiebernd den Flug, dank GPS-Signal live am Computer bzw. Handy. Mutig fliegt die junge Pilotin voran, die Höhenmeter schwinden, bei dem Wind könnte es bis zum Flugplatz Grünstadt knapp werden. Diskussionen entbrennen. Ein kurzer Blick zum Himmel: keine Wolken mehr, die der Heimkehrerin den Weg zur rettende Thermik zeigen könnten. Zurück an den Computer, sie hat wieder ein paar Meter gewonnen. Gott sei Dank, aber nein, sie fliegt zurück, in die falsche Richtung. Was hat sie vor? Da, sie gewinnt wieder an Höhe, ist wieder auf Kurs, noch ist sie vor dem Rhein, Worms kommt in Reichweite. Immerhin, die eventuelle Rückholtour wird nicht mehr lang werden, der F-Schlepppilot gönnt sich eine entspannende Weinschorle, seine Dienste werden offensichtlich heute nicht mehr benötigt. Mit großer Zähigkeit ringt Jana um jeden Höhenmeter, um jeden Kilometer Richtung Heimat. „Könnte sein, dass ich kurz vor dem Flugplatz doch noch auf einen Acker muss“, kommt es plötzlich aus dem Äther. „Kein Problem, wir holen Dich. Aber Du schaffst das“, funken die Kameraden aufmunternd zurück. Und tatsächlich, nach 8 ½ Stunden Flugzeit und einer Strecke von über 500 km hat es Jana Schmidt sicher nach Hause geschafft. Nach der Landung ist ihr der Jubel und Applaus der Fliegerkameraden sowie ein gut gekühltes Radler sicher. Was juckt es da, dass ihr die letzten 3-4 km zum Schließen des großen Dreieckes fehlten und jetzt nur ein knappes 12 km-Dreieck gewertet wurde…

Geschafft: Jana Schmidt nach 500 km und spannendem Endanflug wieder zu Hause

Stand 2. Segelflugbundesliga:

In der Weglide-Wertung flogen die Bensheimer in dieser Runde auf Platz 5, damit in der Gesamttabelle auf Platz 6, sind damit bester hessischer Verein und nur noch 1 Platz bzw. 3 Punkte von der Aufstiegszone entfernt. Allerdings sind die Verfolger auch nur 2-3 Punkte entfernt.

In der OLC-2. Bundesliga erflog sich Bensheim ebenfalls Rundenplatz 5, in der Gesamtwertung auf Platz 9, wobei hier ebenfalls 4 weitere Vereine relativ dicht dahinter liegen. Der Aufstiegsplatz in die 1. Bundesliga (ab Platz 7) liegt aktuell 11 Punkte entfernt, ist also theoretisch möglich, erfordert jedoch nochmals vollen Einsatz und eine Portion Glück. Es bleibt spannend.

 

Beitragsfoto: Früh übt sich: Der Streckenflug-Nachwuchs in den Startlöchern