Erstellt am / von Ulrike Pawel / in FLUGBETRIEB

Bundesliga-Krimi: um einen Punkt am Klassenerhalt vorbei

Die Bensheimer Segelflieger wussten, dass die letzte, entscheidende Bundesligarunde eng werden würde: Die Konkurrenz dicht auf den Fersen, fünf eigene Leistungsträger gebunden durch einen Wettbewerb in Landau/Pfalz und eine nasse, windige Wetterlage. Doch wie spannend das Rennen würde und wie knapp es ausgehen würde, dass ahnte vorher niemand.

Wo andere vielleicht vorzeitig aufgeben und eher an ein Wochenende im Wellnesshotel denken, zeigten die Bensheimer Segelflieger echten Sportsgeist.

Die Bodenmannschaft und Rückholer standen bereit. Sechs Piloten wagten die Herausforderung: mindestens 100 km mit maximal vier Wendepunkten zu erfliegen, Höchstgeschwindigkeiten ließ diese Wetterlage nicht zu. Der Plan: Wenn der kräftige Südwestwind (in 1000 mit 50 km/h prognostiziert) etwas mehr auf West dreht, dann könnte Hangflug entlang der Bergstraße möglich sein. Bis dahin wolle man versuchen, die „mäßige, durch Wind und Überentwicklung gestörte Thermik“ zu nutzen. Nach dem ersten großen Regenschauer startete das Feld: Judith Simon, Klaus Schäfer, Klaus Koser, Moritz Schmiede und Matthias Neubacher.

Die brodelnde Wetterküche ließ nur wenige Sonnenstrahlen durch. Der Wind, als Hangwind oft treuer Verbündeter der Bergsträßer Segelflieger, erwies sich als launiger, unsteter Geselle. Er blies hartnäckig aus Südwest, drehte phasenweise scheinbar auf West, aber nur, um kurz darauf abzuflauen bzw. wieder zurück auf Südwest zu drehen. Somit war weder Thermik noch Hang richtig nutzbar. „Ich habe es noch nicht mal aus der Platzrunde geschafft!“ Frustriert landeten die Piloten vor dem nächsten großen Schauer: Kilometerstand: maximal 92 km – zu wenig. Nur Moritz Schmiede mit seiner ASW15 schaffte es bis nach Sinsheim, um sich dort in einem kleinen Wetterfenster mit dem Wind erfolgreich nach Osten vorzuarbeiten: „Ich dachte mir, das könnte klappen und gut Kilometer bringen. Und zurück? Könnte gut Geld kosten. Egal, das war die Sache wert…“. Der Rückflug endete in Niederstetten. Kilometerstand: 204 km, Durchschnittsgeschwindigkeit: respektable 81 Km/h, Rückschleppkosten: standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Regenpause. Die Kollegen beim Landauer Wettbewerb hatten zwischenzeitlich den Wertungstag neutralisieren müssen. Von dort war also keine Unterstützung mehr zu erwarten. Klaus Koser flog mit der Schleppmaschine nach Niederstetten, um Schmiede zurückzuschleppen. Währenddessen zeigte sich das kleine Wetterfenster mit Sonnenstrahlen auch in Bensheim. Hoffnung keimte auf, schnell waren die Flugzeuge wieder abgeledert. Klaus Schäfer, Judith Simon und Kerstin Weber starteten an der Winde in die zweite Runde. Schäfer erwischte den besten Start und konnte Strecke gut machen: 145 km reichten für die Wertung aus, die Durchschnittsgeschwindigkeit von 58 Km/h war da eher nebensächlich. Die Damen, kurz danach gestartet, hatten bei dem sich schnell wechselnden Wetterbedingungen das optimale Zeitfenster verpasst und erreichten keine Distanzen über 100 km mehr. Somit fehlte der dritte Wertungsflug.

Da der Wind nun plötzlich tatsächlich aus Westen blies, entschied sich Matthias Neubacher spontan, es nochmal am Hang zu versuchen. Er startet am Abend, als alle anderen schon leicht frustriert einpackten. „1,5 m Steigen, geht gut. Kehre über dem Frankenstein um…“, kam es frohen Mutes aus dem Äther. Und tatsächlich flog die LS4 hoch über dem Melibokus gen Süden. Abwechselnd beobachtete die Bodenmannschaft nun den Windsack am Flugplatz und das kleine Flugzeug am Hang. Die aktuellen Winddaten der Melibokuswetterstation wurden abgerufen und an den Piloten weitergeben. Neubacher hatte wieder nördlichen Kurs, war aber niedriger. Banger Blick zum Windsack, er neigte sich deutlicher zu Boden. Unverkennbar: Die zweite Runde am Hang war viel niedriger als vorher, der Wind hatte eine Verschnaufpause eingelegt. Neubacher kämpfte, aber der Hangwind wollte nicht mehr auffrischen. Mit der letzten Höhe kehrte er sicher zum Platz zurück. Kilometerstand: knapp 49 km – wieder zu wenig für einen Wertungsflug.

Platz 11 der Tageswertung und 100 Gesamtpunkte hätten für den Klassenerhalt reichen können. Der punktgleiche LSC Bad Homburg (90 Punkte) konnte nur einen Wertungsflug einreichen und blieb damit hinter Bensheim zurück. Aber zwei andere Verfolger kassierten satte Punkte: AC Esslingen holte den Rundensieg (107 Gesamtpunkte) und LSV Oldenburg erreichte den vierten Platz (101 Gesamtpunkte). Beide Vereine schoben sich damit an Bensheim vorbei nach vorne. So landeten die Bensheimer nach einem wirklich spannenden Rennen auf Platz 24, dem undankbaren ersten Abstiegsplatz. Gefehlt hat ein einziger Punkt.

Und nun? „Freuen wir uns auf die Wiederaufstiegsparty im nächsten Jahr! Und bis dahin fliegen wir noch ein Bißchen, ab jetzt halt in der Quali-Liga“, kommt lachend zurück.

Tags: