Erstellt am / von Ulrike Pawel / in EVENT

Wellen- und Hangflugtreffen in Bensheim

Wenn rund 100 Pilotinnen und Piloten sich zum Teil aus Hamburg, Stuttgart und Harz auf den Weg nach Bensheim machen, muss es einen guten Grund dafür geben. Der Wellen- und Hangflugtag war in der Tat ein guter Grund. Wieder gelang es den Organisatoren Peter Franke (SFZ Ludwigshafen-Dannstadt) und Eckhardt Schwantes (LSV Worms) eine spannende Vortragsreihe in den Bensheimer Räumlichkeiten zusammenzustellen.

Westwelle: „Einstieg Abfahrt Deidesheim“

Mit stimmungsvollen Bildern leitete Peter Franke seinen Vortrag über die bekannte Westwelle ein. Sie wird bei den relativ häufig vorkommenden Westwetterlagen durch den Pfälzer Wald ausgelöst.

Anschaulich schildert der die Auftriebsgebiete, Wellenabstände und wie man die Welle erfliegen kann: „A65, Abfahrt Deidesheim, da steht normalerweise die Primärwelle für den Einstieg, oder, je nach Windstärke, direkt vor unseren zwei Windrädern. Dann reicht auch ein Windenstart hin…“
Aufschlussreich für die Neulinge wurde es, als er seinen „Wellenflug-Einsatzkoffer“ vor dem Publikum auspackte.

Neben der persönlichen Ausrüstung ist ein Transponder sowie eine Sauerstoffanlage unumgänglich, will man nicht rechtzeitig vor FL100 die Klappen ziehen müssen. Beides ist auch schon vor Erreichen dieser Höhe sinnvoll, immerhin gehen hier die An/Abflüge der Flughäfen Ramstein, Frankfurt, Hahn und Saarbrücken entlang. Ohne ein gutes Miteinander werde es schnell schwierig mit den Höhenausflügen.
Auf das wichtige Thema Sauerstoffmangel in der Höhe, Symptome und Auswirkungen ging Franke ebenfalls ausführlich ein. Und natürlich sollte man seine Sauerstoffanlage richtig bedienen können.

Meteorologie für Dummies

Dr. Ralf Theheos (SFG Bensheim), von Hause aus segelfliegender Meteorologe, vermittelte in seinem Beitrag, wie man einfach und schnell ohne umfangreiches Theoriewissen an eine sinnvolle Wellenflug-Vorhersage kommen kann.

Angefangen vom „Fußgänger-Wetterbericht“ wie Kachelmann-Wetter oder Fernsehen („Verdächtig: auffrischender Westwind“), über das (Bergstraßen-) Hangflugtool im Internet  bis zum Flugwetterbericht DWD (kostenfrei, auch ohne PC-met) und schließlich der Wellenvorhersage des DWDs erläuterte er die Aussagekraft und Interpretation der verschiedenen Dienste. Über einen Zeitraum von 2-3 Tagen seien die Aussagen der Dienste mittlerweile relativ sicher. Wichtig für eine Abschätzung sei, zu beobachten, wie stabil sich die Trends abzeichnen.

„Wenn im Winterhalbjahr der Hang an der Bergstraße geht, dann steht auch die Welle am Pfälzer Wald. Umgekehrt, wenn Westwelle ist, muss der Wind nicht unbedingt für Hangflug ausreichen“, schloss Theheos den meteorologischen Teil ab.

Zu guter Letzt empfahl er noch die Faceboogruppe „Wellen- und Hangflugverrückte“ als Informationsquelle. Hier erfahre man nicht nur Allgemeines, sondern auch, wenn sich interessante Wetterlagen zusammenbrauen, und vor allem, wo sich dann Leute zum Fliegen verabreden. Eine wichtige Information, wolle man unter der Woche in die Luft kommen.

Hangflug an der Bergstraße: Flott unterwegs

Alexander Meinicker (SFG Guilini/Ludwigshaven) präsentierte als ein Vertreter der „jungen Wilden“ den Hangflug an der Bergstraße.

Fliegerisch kannte er sich bestens aus. Er beschrieb anhand seiner Flugspuren anschaulich die verschiedenen Auftriebszonen zwischen Darmstadt und Leimen, wusste um lokale Düseneffekte und Schwachstellen. Er zeigte auf, wo man gut Höhe in Geschwindigkeit umsetzen konnte und so schnelle Schnitte von über 134 km/h erreichen konnte. Schließlich ließ er das Auditorium an seiner persönlichen Auslandeerfahrung teilhaben.

So sei dem Pfälzer verziehen, dass ihm der Name der „komischen Burg da neben dem Melibokus“, das Auerbacher Schloss, entfallen war.

Ostwelle: Schöne Aussicht, aber kalt

Schon sieben Mal erflog Eckhart Schwantes die Ostwelle. Mit dem Einstieg über Heidelberg und den 75 km-langen Sprung in das Murgtal eröffnet sich im Schwarzwald ein Wellensystem, das Flüge bis in das südliche Wiestal ermöglicht, einfache Strecke insgesamt 235 km. Das ermöglicht deutlich größere Strecken als in der Westwelle.

Große Höhen seien zwar möglich (Hornisgrinde ca. 7500 m dokumentiert), aber nicht sinnvoll, da das örtliche Wellenflug-Fenster räumlich beschränkt sei und für den Weiterflug verlassen werden müsse. Damit müsse man in der Regel auch wieder unter FL 100. Dies reiche normalerweise bis zum nächsten Aufstiegs¬punktes aus.

Die für die Ostwelle nötige (seltene) Großwetterlage bedingt trockene und vor allem kalte, in der Höhe sehr kalte (!), Luft. Das sei besonders für den Heimflug vom Murgtal nach Heidelberg von Bedeutung, da dieser jetzt dank der Gegenwindkomponente (Geostrophischen Wind) deutlich länger dauere und die leidlich wärmende Sonne nun im Rücken sei. Dafür sei die Aussicht fantastisch: Ungetrübt von Wolken oder Feuchtigkeit kommen die Alpen in Sichweite.

Dank elektronischen Flugdokumentationen sei der Einstieg in die jeweilige Wellen (Murgtal, Hornisgrinde usw.) gut planbar und mit den entsprechenden GPS-Daten nachvollziehbar.

Film ab!

Die ganze Schönheit des Wellenfliegens zeigte Andreas Maurer vom DJK Landau in seinen Filmen, faszinierende Bilder zum Träumen.
Aber bevor die Zuhörer vollends in andere Spähren entschwebten, lenkte er die Blicke hinter die Kulissen. „Je besser die Kameratechnik wurde, desto enger wurden die Verbandsflüge auf den Segelflug-Youtube-Filmchen“, stellte der Referent fest. Die laminare Luftströmung, frei von störenden Turbulenzen, lade geradezu ein für spektakuläre Luft-Luft-Aufnahmen.

Bei aller Faszination dürfe man sich nicht von dem eigentlichen Fliegen ablenken lassen oder vor lauter Euphorie zu gefährlichem Übermut verleiten lassen. Beispiele zeigten, dass auch Profis nicht immer davor gefeit waren.
Verbandsflug erfordere hohes fliegerisches Können, tiefes Vertrauen und klare Absprachen. Man müsse immer berücksichtigen, dass man trotz laminarer Luftströmung sich nicht auf einer klar begrenzten Autobahn, sondern immer noch in einem dreidimensionalen Luftraum befinde. Bei Luft-Luft-Aufnahmen sprach er sich für Doppelsitzer aus, damit der eine Pilot sich voll auf das Fliegen konzentrieren kann währen der andere entspannt fotografieren kann.

Nicht abgesprochene, spontane Flugmanöver können schnell zu Schwierigkeiten bei allen Beteiligten und Unbeteiligten führen. Bei allem Spaß und fotografischen Ambitionen in der Welle sollte man immer achtsam bleiben

Fazit:

  • Wellen- und Hangflug ermöglicht den Piloten, auch in der thermikfreien Winterzeit Segelflug auszuüben.
  • Auf der Facebooksite „Wellen- und Hangflugverrückte“ sind inzwischen gut 2250 User registriert, tauschen sich aus und informieren sich über mögliche Wellenflugtage.
  • Beide Wellensysteme, sowohl die West- als auch die Ostwelle sind mittlerweile dank OLC gut dokumentiert, was man zur Vorbereitung gut nutzen kann.
  • Gute Vorbereitung und Ausrüstung ist unabdingbar, ohne Transponder bzw. funktionierende Sauerstoffanlage kommt man nicht hoch.
  • Insgesamt eine gelungene Veranstaltung: Viele Rückfragen und ausgiebige, lebhafte Diskussionen in den Pausen zeugten von hohem Interesse, man nutzte gerne die Gelegenheit zum persönlichen Austausch.